BRAO-Reform Teil 2 tritt am 01.08.2022 in Kraft
Der erste Teil der großen BRAO-Reform ist bereits am 01.08.2021 in Kraft getreten. Im Kammerreport Juli 2021 wurde berichtet.
Das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 07.07.2021 ist am 12.07.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I 2021 Nr. 41 Seite 2363 ff.). Das Gesetz wird am 01.08.2022 in Kraft treten. Mit dem zweiten Teil der großen BRAO-Reform erfährt das anwaltliche Berufsrecht erhebliche Veränderungen, die insbesondere das anwaltliche Gesellschaftsrecht betreffen.
Künftig können Rechtsanwälte ihren Beruf mit allen freien - auch den nicht verkammerten - Berufen nach § 1 Abs. 2 PartGG ausüben. Außerdem wurde der Katalog der zulässigen Rechtsformen, mit denen sich Rechtsanwälte künftig als Berufsausübungsgesellschaft verbinden dürfen, erweitert. Da § 59b BRAO n.F. lex specialis zu § 107 HGB n.F. ab 2024 ist, kann bereits ab 01.08.2022 jede Gesellschaftsform nach deutschem Recht für eine Berufsausübungsgesellschaft gewählt werden. Zudem sind alle europäischen Gesellschaften und Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum zulässig sind, möglich.
Alle Berufsausübungsgesellschaften mit beschränkter Haftung müssen von den zuständigen Rechtsanwaltskammern in einem gesonderten Antragsverfahren zugelassen werden und erhalten ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach. Darüber hinaus besteht optional für die GbR, die PartG und die OHG die Möglichkeit, eine Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft von der Rechtsanwaltskammer zu erhalten und damit ebenfalls ein Kanzleipostfach.
Die bereits vor dem 01.08.2022 zugelassenen Rechtsanwalts-GmbHs haben Bestandsschutz gem. § 209a BRAO n.F.. Diese werden von der Rechtsanwaltskammer in eine Berufsausübungsgesellschaft umgetragen und künftig auch im Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis geführt.
Die bis zum 01.08.2022 gegründeten Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung müssen bis zum 01.11.2022 einen Zulassungsantrag stellen bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer gem. § 209a BRAO n.F.. Lediglich bis zum 31.10.2022 besteht für diese Gesellschaften weiterhin die Rechtsdienstleistungsbefugnis und die Befugnis zur Vertretung vor Gerichten.
Die Rechtsanwaltskammer Oldenburg wird alle im Kammerbezirk zugelassenen Rechtsanwalts-GmbHs und auch die Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung gesondert anschreiben und auf die Änderungen in der BRAO-Reform hinweisen.
Zudem wurde mit der BRAO-Reform das Recht der Interessenkollision erstmals ausführlich in der BRAO geregelt in § 43a Abs. 4 - 6 BRAO n.F.. Die bisherige Regelung in § 3 BORA ist damit obsolet. Der Kern des § 43a Abs. 4 - 6 BRAO bleibt die klassische Interessenkollision, d. h. das Verbot der Beratung oder Vertretung in derselben Rechtssache in widerstreitendem Interesse. Mit der neuen Formulierung durch die Worte „Beraten und Vertreten“ wird allerdings klargestellt, dass es sich um ein Tätigwerden innerhalb eines Mandates handeln muss. § 43a Abs. 4 S. 2 BRAO n. F. erstreckt das Tätigkeitsverbot wegen Interessenkollision auch auf alle sozietätsangehörigen Anwälte, und über § 59e BRAO n.F. gilt dies auch für die Berufsausübungsgesellschaft selbst. Die Erstreckung des Tätigkeitsverbotes gilt für jede Form der gemeinschaftlichen Berufsausübung und damit auch in der Scheinsozietät und für den angestellten Rechtsanwalt. Eine Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf reine Bürogemeinschaften ist jedoch nicht mehr geregelt. Die anderslautende Regelung im bisherigen § 3 Abs. 2 S. 1 BORA ist damit ebenfalls obsolet.
Nach wie vor bleibt die Sozietätserstreckung eines Tätigkeitsverbotes bestehen, wenn der persönlich vorbefasste Anwalt die Sozietät verlässt. § 43a Abs. 4 S. 4 BRAO n.F. übernimmt nunmehr die bislang schon in § 3 BORA enthaltende Möglichkeit, dass die beteiligten Mandanten in Textform der Übernahme eines widerstreitenden Mandats zustimmen können. Diese Befreiungsmöglichkeit gilt jedoch nur für die Sozietätserstreckung und nicht auch für das Tätigkeitsverbot des betroffenen Anwaltes selbst. Darüber hinaus wurde das Tätigkeitsverbot für Referendare und wissenschaftliche Mitarbeiter konkret geregelt in § 43a Abs. 5 BRAO. Eine ausdrückliche Regelung zum umstrittenen Sozietätswechsel enthält die neue Regelung der BRAO allerdings nicht.
Die Bürogemeinschaft wird in § 59q BRAO n.F. erstmals definiert. Rechtsanwälte können sich zu einer Gesellschaft verbinden, die der gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln dient, jedoch nicht selbst als Vertragspartner von rechtsanwaltlichen Mandatsverträgen auftreten soll. (Bürogemeinschaft) Eine Bürogemeinschaft können Rechtsanwälte auch mit Personen eingehen, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, es sei denn, die Verbindung ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar und kann das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden. Eine Bürogemeinschaft kann insbesondere dann ausgeschlossen sein, wenn in der anderen Person ein Grund vorliegt, der bei einem Rechtsanwalt zur Versagung der Zulassung führen würde.
Neu eingeführt wurde eine Fortbildungspflicht im Berufsrecht. Nach § 43f BRAO n.F. muss ein Rechtsanwalt innerhalb des ersten Jahres nach seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer mind. zehnstündigen Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilnehmen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Rechtsanwalt vor dem 01.08.2022 erstmals zugelassen wurde oder wenn er nachweist, dass er innerhalb von sieben Jahren vor seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer entsprechenden Lehrveranstaltung nach Abs. 1 teilgenommen hat.
Die BRAO-Reform hat auch einige Änderungen für Syndikusrechtsanwälte gebracht. Für Syndikusrechtsanwälte wurde nunmehr in § 46c Abs. 6 BRAO n.F. geregelt, dass sie einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen haben, wenn sie länger als eine Woche daran gehindert sind, ihren Beruf auszuüben. § 30 BRAO gilt entsprechend, was bedeutet, dass auch Syndikusrechtsanwälte der Berufspflicht unterliegen, dem Zustellungsbevollmächtigten einen Zugang zum beA einzuräumen.
Gem. § 46 Abs. 6 BRAO ist es nun möglich, dass ein Syndikusrechtsanwalt Rechtsdienstleistungen nicht nur für seinen Arbeitgeber erbringt, sondern darüber hinaus für Kunden des Arbeitgebers, auch wenn der Arbeitgeber nicht zu den in § 46c Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 - 3 genannten Berufen (Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände etc.) gehört. Der Arbeitgeber muss gleichwohl zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach dem RDG befugt sein. Im Fokus stehen hier die Inkassounternehmen. Der Syndikusrechtsanwalt muss in diesem Fall jedoch darauf hinweisen, dass er keine anwaltliche Beratung im Sinne des § 3 BRAO erbringt und ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO zusteht. Auch im Rahmen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt kann diese Tätigkeit nicht als anwaltliche Tätigkeit berücksichtigt werden.
Außerdem wurde in § 46b BRAO n.F.ein neuer Absatz 2 angefügt, der regelt, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht zu widerrufen ist, wenn die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Syndikus unterbrochen wird, die Unterbrechung in Folge ihrer Eigenart und vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und das der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zugrundeliegende Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Letztlich wurde auch die Gewichtung der Stimmen der Rechtsanwaltskammern in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer neu geregelt. Vor der Neuregelung hatte jede regionale Rechtsanwaltskammer unabhängig von ihrer Größe eine Stimme. Nun hängt die Anzahl der Stimmen von der Größe der jeweiligen Rechtsanwaltskammer ab. Je nach Anzahl der Mitglieder in der Rechtsanwaltskammer erhält diese zwischen einer bis zu maximal neun Stimmen. Zudem wurde ein Veto-Recht eingeführt, wonach ein Beschluss als nicht gefasst gilt, wenn ihm mind. 17 von 28 Kammern widersprochen haben.